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"Sehr gut aufgestellt“ - Interview mit Andreas Dombret, bis 2018 im Vorstand der Deutschen Bundesbank

Dr. Andreas Dombret war von 2010 bis 2018 Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank und von 2014 bis 2018 Mitglied im Supervisory Board der EZB. Zusätzlich hatte er in dieser Zeit deutsche Interessen unter anderem im Verwaltungsrat der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich und im Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht vertreten. In dieser Zeit haben sich die Wege von Dr. Dombret und dem BVR immer wieder gekreuzt. Im Gespräch mit dem Fachmagazin Bankinformation (BI) lässt der ehemalige Notenbanker diese Zeit Revue passieren.

BI: Seit 50 Jahren existiert nun der BVR, Genossenschaftsbanken gibt es ja schon viel länger. Trotzdem ein schönes Jubiläum für einen Verband, nicht wahr?

Dombret: Auf jeden Fall! Ich gratuliere herzlich – Happy Birthday, BVR. Trotz Ihrer 50 Jahre sind Sie jung geblieben und haben sich bestens gehalten. Für die Zukunft wünsche ich alles Gute.

Die Zusammenarbeit mit dem BVR habe ich immer als konstruktiv empfunden. Das bedeutet nicht, dass vom BVR nicht auch Kritik an den Bankenaufsicht gekommen wäre – aber diese war durchgehend produktiv. Der BVR besticht durch Sachverstand und Kompetenz. Die Zusammenarbeit – nicht nur auf Ebene des BVR, sondern auch mit den im Markt aktiven Instituten und deren Vertretern – war eine ausgesprochene Freude für mich.

BI: Können Sie Beispiele nennen?

Dombret: In meine Amtszeit als Bundesbankvorstand fiel beispielsweise die Fusion zwischen DZ Bank und WGZ Bank. Harmonischer kann eine Fusion nicht durchgeführt werden, was nach meiner Einschätzung nicht nur, aber auch an den Vorstandsvorsitzenden Wolfgang Kirsch und Hans-Bernd Wolberg und den Aufsichtsrats-Chefs Helmut Gottschalk und Werner Böhnke gelegen hat. Als Berater hatte ich an der Fusion von DG Bank und GZ-Bank mitgewirkt und dabei Ulrich Brixner als einen Mann kennengelernt, der genau wusste, was er wollte.

Mit Uwe Fröhlich und mit Marija Kolak hatte ich in meiner Funktion bei der Bundesbank immer wieder dienstlich zu tun, und dies war ausnahmslos ein sehr respektvoller und angenehmer Umgang – auch in Krisenzeiten. Mit Gerhard Hofmann verbindet mich die Bankenaufsicht in der Bundesbank, obwohl sich unsere Zeit dort nicht überschnitten hat – im Fall des neuen BVR-Vorstands Daniel Quinten ist dies allerdings der Fall gewesen. Und es ist ganz sicher alles andere als ein Zufall, dass ich – zwischen Uwe Fröhlich und Andreas Martin sitzend – meine Forderung nach mehr Verhältnismäßigkeit in der Bankenaufsicht auf einer Jahrestagung des BVR erhoben und vorgetragen habe – eine Forderung, die zuerst niemand für durchsetzbar hielt, die aber immer noch Bestand hat. Und sie findet sich sehr zu meiner Freude auch im aktuellen Koalitionsvertrag der Bundesregierung wieder.

BI: Geschichte ist wichtig, die Zukunft jedoch entscheidend. Wie beurteilen Sie die aktuelle Konkurrenzfähigkeit genossenschaftlicher Institute gerade vor dem Hintergrund der unaufhaltsamen Digitalisierung des Bankgeschäfts sowie eines immer höheren Wettbewerbsdrucks?

Dombret: Aus meiner Sicht ist der deutsche genossenschaftliche Verbund sehr gut aufgestellt. Woran mache ich dies fest? Vor allem an Ihrer Nähe zum Kunden, an der klaren Governance, am fachkundigen und effizienten Spitzenverband, an der großen Einigkeit unter den handelnden Personen und an der sinnvollen Bündelung der Kompetenzen. Konkurrenz untereinander existiert in der FinanzGruppe so gut wie gar nicht – und wenn doch, dann verbergen Sie es sehr geschickt gegenüber Dritten …

Je mehr Vertrauen Ihnen als Gruppe von Kunden entgegengebracht wird, umso besser für Ihre Konkurrenzfähigkeit. Kundennähe, eine schlanke Struktur, Mut zur Innovation und nicht zuletzt kompetente Gremien, die eng und vertrauensvoll miteinander zusammenarbeiten – all dies sind nach meiner Einschätzung entscheidende Grundlagen für eine hohe Konkurrenzfähigkeit. Und daher konnten die genossenschaftlichen Banken ihre Kreditvergabe im vergangenen Jahr auf über 700 Milliarden Euro ausweiten. Was die Dotierung der Risikovorsorge und die Rücklagen anbetrifft, ist die genossenschaftliche FinanzGruppe meistens vorbildlich. Und ich gehe fest davon aus, dass sich diese Risikostruktur bei Ihnen so weiter fortsetzt.

BI: Die Drei-Säulen-Struktur der deutschen Bankenlandschaft wird gerade im Ausland manchmal kritisch beäugt. Sie als Kenner der internationalen Finanzszene haben hier sicherlich schon viele Diskussionen geführt. Was entgegnen Sie den Kritikern?

Dombret: Was nach meiner Beobachtung im Ausland besonders auffällt, ist weniger die deutsche Drei-Säulen-Struktur als vielmehr die hohe Anzahl selbstständiger Banken und das Konzept der öffentlichen Eigentümerschaft bei einer Teilmenge der deutschen Institute. Letzteres ist eine historisch gewachsene Sondersituation, die im Ausland so gut wie gar nicht vorkommt und somit auf entsprechendes Unverständnis stößt. Die Kritik daran kann ich allerdings nur teilweise nachvollziehen, denn die öffentliche Hand darf den Instituten keine Vorteile verschaffen und wäre im Zweifel genauso von einem Bail-in betroffen wie jeder private Eigentümer auch. Was die hohe Anzahl eigenständiger Institute hierzulande anbetrifft, so übersieht der ausländische Betrachter die Bedeutung unserer Verbünde. Nicht 1.800 Banken und Sparkassen sind miteinander im Wettbewerb, sondern deutlich weniger. Schließlich hat die hohe deutsche Diversität – davon bin ich überzeugt – auch erhebliche Vorteile für die Finanzstabilität hierzulande.

BI: Wo sehen Sie für die traditionellen Kreditinstitute insgesamt die größten Herausforderungen in den kommenden Jahren? Und wie gefährlich sind die Neo-,Near- und Non-Banks wirklich für die etablierten Player?

Dombret: Keine Frage – die Digitalisierung stellt eine enorme Herausforderung für das traditionelle Bankenwesen dar. Die Kundengruppe, die so viele Bankgeschäfte wie möglich vom Handy aus erledigen möchte, wird zusehends größer. Aber wir dürfen auch nicht übersehen, dass Banken unverändert über einen großen Vertrauensvorsprung verfügen. Dies hat einen nicht zu unterschätzenden Wert. Hierauf können die Volksbanken und Raiffeisenbanken aufbauen, ohne sich jedoch darauf ausruhen zu können.

Nach meiner Einschätzung steht uns bei der Digitalisierung der wahre Umschwung aber noch bevor. Bislang sind erst Randbereiche des Bankings betroffen. Wenn sich das gesamte Ökosystem verändert, werden sich die Banken noch deutlich mehr anpassen müssen, als dies bisher der Fall ist. Und viele Lösungen werden europäische Lösungen sein müssen.

BI: Weiterhin bestimmt die Coronapandemie das Leben auch in Deutschland. Gerade die Wirtschaft hat unter Beschränkungen zu leiden. Wie sind die deutschen Banken mit dieser Herausforderung aus Ihrer Sicht bisher umgegangen?

Dombret: Die Tatsache, dass die Bundes- und Landesregierungen derart umfassend fiskalpolitisch – flankiert durch unterstützende geldpolitische und aufsichtliche Erleichterungen seitens der EZB – reagiert haben, hat dazu geführt, dass der Coronaschock bislang so gut wie überhaupt nicht im deutschen Bankensektor angekommen ist. Aber natürlich leidet die Wirtschaft, und noch ist die Pandemie ja auch noch nicht vorüber. Im Gegensatz zur globalen Finanzkrise waren die Banken und Sparkassen diesmal aber eindeutig Teil der Lösung und nicht Auslöser der Krise. Ohne sie wäre die Entwicklung hierzulande deutlich schlechter verlaufen. Auf die Banken und Sparkassen war in dieser Krise Verlass.

Dr. Andreas Dombret
Dr. Andreas Dombret

BI: Die Regulierung berücksichtigt aus Sicht vieler Genossenschaftsbanken trotz erster Ansätze immer noch nicht ausreichend die Belange kleiner und mittelgroßer Kreditinstitute. Können Sie als ehemaliger Bankenaufseher diese Bedenken nachvollziehen? Und sollten die Vorschriften nicht noch proportionaler ausgerichtet werden?

Dombret: Die Verhältnismäßigkeit in der Regulierung ist ein Herzensthema für mich. Dass die Regulierer mit sehr deutlichen Maßnahmen auf die globale Finanzkrise reagiert haben und hierbei zuallererst die großen, komplexen, mit vielem Derivaten arbeitenden Institute im Blick hatten, ist verständlich und richtig. Immerhin gehen von diesen systemrelevanten Häusern mit Abstand die größten Gefahren aus. Warum aber für kleinere, gut kapitalisierte Volksbanken und Raiffeisenbanken die gleichen Regeln gelten sollen, hat sich mir nie erschlossen. Dies ist der Grund, warum ich schon in einem sehr frühen Stadium die Forderung nach mehr Verhältnismäigkeit in der Regulierung erhoben habe.

Es muss nach meiner festen Überzeugung risikoadäquat reguliert und beaufsichtigt werden. Alles andere setzt die falschen Anreize und führt zu einer Benachteiligung kleinerer und mittlerer Institute, die beim besten Willen weder gerechtfertigt ist noch gewollt sein kann. Diese Denkweise hart sich aber inzwischen durchgängig durchgesetzt, worüber ich mich ausgesprochen freue.

BI: Das Basel-III-Paket der Europäischen Kommission sieht einen Output Floor von 72,5 Prozent vor. Ein sinnvoller Vorschlag aus Ihrer Sicht?

Dombret: Dies ist ein sinnvoller Kompromiss. Was der BaFin und der Bundesbank wichtig war: erstens die Erhaltung von Risikomodellen. Risiken müssen adäquat reguliert, aber mit einem Mindestmaß an Eigenkapital unterlegt werden. Der deutschen Seite erschien eine Mindestunterlegung von 70 Prozent als ausreichend, dies war aber leider international nicht durchsetzbar. 75 Prozent haben wir noch verhindern können, sodass 72,5 Prozent den niedrigstmöglichen Kompromiss darstellt. Zweitens: Wir wollten eine international einheitliche Regelung, damit Banken und Sparkassen wissen, was auf sie zukommt, aber auch, um Regulierungsarbitrage zu vermeiden. All dies wird mit dem geplanten Basel-III-Paket erreicht.

BI: Die EZB lässt nun das PEPP-Programm auslaufen. Eine korrekte Entscheidung?

Dombret: Ja, so sehe ich das. Ein P im Begriff PEPP steht bekanntlich für Pandemie. Und die Pandemie lässt in ihrer wirtschaftlichen Auswirkung nach. Somit muss die EZB glaubwürdig sein und diese Maßnahme schrittweise auslaufen lassen. Insofern war dieser Schritt nur konsequent von der EZB und wird von mir ausdrücklich begrüßt. Glaubwürdigkeit ist nicht nur für Ihre Bankengruppe wichtig. Sie ist nicht zuletzt auch für Zentralbanken ein teures Gut. Ich bin froh, dass die EZB, die aktuell mit der Wahrung der Preisstabilität eine Herausforderung der besonderen Art erfährt, beim PEPP konsequent gehandelt hat.

BI: Wo sehen Sie die genossenschaftliche FinanzGruppe im Jahr 2030?

Dombret: Das hängt davon ab, welche Entscheidungen die genossenschaftliche FinanzGruppe bis zum Ende des Jahrzehnts fällt. Ein ‚Weiter so wie bisher‘ ist dabei natürlich kein Konzept, das angesichts der Digitalisierung trägt. Aber dies weiß Ihre Gruppe selbst sehr genau, und daher sind die Voraussetzungen für eine gute Zukunft nach meiner Einschätzung vielversprechend: ein hoher Vertrauensvorschuss bei den Kunden, eine gute, arbeitsteilige Aufstellung in der Gruppe, und nicht zuletzt leistungsstarke Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Führungskräfte. Deutschland ist ein attraktiver Markt mit einem gesunden Mittelstand, um den uns viele im Ausland zurecht beneiden. Zudem wird die Geldpolitik im Jahr 2030 sehr wahrscheinlich deutlich freundlicher für Banken aussehen als zurzeit. Das sind für Sie aus meiner Sicht gute Aussichten.

Herr Dombret, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.