Die Kundenbeschwerdestelle beim BVR
Die Kundenbeschwerdestelle beim BVR
Mit Wirkung vom 2. April 2002 wurde das Streitschlichtungsverfahren der deutschen genossenschaftlichen Bankengruppe eingeführt. Seither haben Kunden genossenschaftlicher Banken die Möglichkeit, Streitigkeiten mit ihrer Bank außergerichtlich und ohne Kostenrisiko durch einen unabhängigen Schlichter klären zu lassen. Verbraucher wie Unternehmer sind so in der Lage, ihre Streitigkeiten mit der Bank nach Maßstab der geltenden Rechtslage und unter Berücksichtigung von Billigkeitserwägungen mithilfe des Ombudsmanns ohne Einschaltung eines ordentlichen Gerichts schnell einer Lösung zuzuführen.
Rechtliche Grundlagen für die Streitbeilegung
Grundlage des Streitschlichtungsverfahrens ist die Verfahrensordnung für die außergerichtliche Schlichtung von Kundenbeschwerden im Bereich der deutschen genossenschaftlichen Bankengruppe.1 Nach dieser Verfahrensordnung (VerfO) führt die Kundenbeschwerdestelle beim BVR auf Antrag eines Verbrauchers oder eines Unternehmers ein Verfahren zur außergerichtlichen Beilegung von Streitigkeiten bezüglich aller von der Bank angebotenen Produkte oder Dienstleistungen durch. Die VerfO regelt dabei unter anderem die Organisation der Schlichtungsstelle, die aus der Geschäftsstelle beim BVR und den Ombudspersonen besteht, die formellen und inhaltlichen Anforderungen an einen Schlichtungsantrag, mögliche Gründe für die Ablehnung eines Schlichtungsverfahrens sowie die einzelnen Verfahrensschritte bis hin zur Unterbreitung des Schlichtungsvorschlages. Die VerfO steht – ebenso wie eine Kurzinformation zum Verfahren („Die Lösung bei Konflikten. Der Ombudsmann für Streitigkeiten zwischen Kunde und Bank“) – auf der Internetseite2 des BVR oder als Faltblatt zur Verfügung.3
Das Streitschlichtungsverfahren gilt für alle Mitgliedsbanken des BVR, die ihre Teilnahme hieran erklärt haben. Von den 925 Mitgliedsinstituten des BVR4 nehmen 897 (97 Prozent) am Verfahren teil. Auf der Internetseite des BVR (www.bvr.de/Service/Kundenbeschwerdestelle) kann jeder Beschwerdeführer per Suchfunktion überprüfen, ob ein bestimmtes Mitgliedsinstitut am Ombudsmannverfahren des BVR teilnimmt oder nicht.
Europarechtliche Regulierung der Streitbeilegung
Die Richtlinie 2013/11/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2013 über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten verpflichtet die EU-Mitgliedstaaten, bis zum 9. Juli 2015 durch Gesetz dafür Sorge zu tragen, dass Verbrauchern bei bestimmten Streitigkeiten mit Unternehmern außergerichtliche Streitbeilegungsstellen zur Verfügung stehen. Mit etwas Verspätung hat der deutsche Gesetzgeber am 19. Februar 2016 das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten und zur Durchführung der Verordnung über Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten verabschiedet. Am 25. Februar 2016 wurde es im Bundesgesetzblatt (BGBl) verkündet.5 Am 1. April 2016 trat es teilweise in Kraft.
Das Gesetz soll sicherstellen, dass für jegliche vertraglichen Streitigkeiten zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmen eine außergerichtliche Streitbeilegung angeboten wird. Der ordentliche Rechtsweg wird – wie bisher – dadurch nicht beschränkt. Vielmehr ergänzen sich die Möglichkeiten zur außergerichtlichen Schlichtung sowie der gerichtlichen Klärung von Streitigkeiten. Die Vorteile der außergerichtlichen Streitschlichtung liegen dabei auf der Hand: Der Kunde kann eine Streitigkeit weniger förmlich, unentgeltlich und schnell aufklären lassen. Der Unternehmer kann auf freiwilliger Basis die Kundenzufriedenheit durch ein geeignetes Beschwerdemanagement steigern und zum Erhalt einer durch Streitigkeiten strapazierten Geschäftsbeziehung beitragen.
Herzstück des Gesetzes ist das in Artikel 1 geregelte Gesetz über die alternative Streitbeilegung in Verbrauchersachen. Das sogenannte Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG) gilt in seinem sachlichen Anwendungsbereich auch für Verbraucherschlichtungsstellen, die nach anderen gesetzlichen Vorschriften anerkannt, beauftragt oder eingerichtet wurden, sofern diese anderen Rechtsvorschriften keine abweichenden Regelungen treffen, vergleiche § 1 VSBG. So gilt das VSBG zwar grundsätzlich auch für die Kundenbeschwerdestelle beim BVR. Andere Rechtsvorschriften, die vorrangig vor den Regelungen des VSBG gelten, sind gemäß § 14 Absatz 3 Unterlassungsklagengesetz (UKlaG) die Regelungen in der Finanzschlichtungsstellenverordnung (FinSV). Diese wurden als branchenspezifische Spezialregelungen vom Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz erlassen.6 Die FinSV enthält nahezu regelmäßig spezialgesetzliche und damit vorrangig vor dem VSBG anzuwendende Vorschriften etwa zum Verfahren der Streitbeilegung oder zur Organisation und Finanzierung der Schlichtungsstelle bis hin zu formellen wie materiellen Voraussetzungen für die Anerkennung der Kundenbeschwerdestelle beim BVR als private Verbraucherschlichtungsstelle.
Anerkennung als private Verbraucherschlichtungsstelle
Die Kundenbeschwerdestelle beim BVR wurde gemäß § 14 Absatz 3 Satz 1 des UKlaG in Verbindung mit § 11 Absatz 1 der FinSV vom Bundesamt für Justiz mit Bescheid vom 30. Januar 2017 als private Verbraucherschlichtungsstelle anerkannt. Dieses behördliche Gütesiegel bestätigt: Die Organisation, die Finanzierung und nicht zuletzt die Verfahrensordnung der Kundenbeschwerdestelle beim BVR erfüllen die zuvor genannten gesetzlichen Anforderungen des UKlaG sowie der FinSV vollständig. Nach außen hin wird die Anerkennung durch die Aufnahme der Kundenbeschwerdestelle beim BVR in die Liste der anerkannten Verbraucherschlichtungsstellen erkennbar, die auf nationaler Ebene vom Bundesamt für Justiz geführt7 wird.
Im Finanzbereich wird die außergerichtliche Streitschlichtung vorrangig durch private Verbraucherschlichtungsstellen und subsidiär durch die behördlichen Schlichtungsstellen bei der Deutschen Bundesbank sowie der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) wahrgenommen. An dieser Struktur hat sich, abgesehen von einer Veränderung der sachlichen Zuständigkeiten der behördlichen Schlichtungsstellen, durch die oben genannte Gesetzgebung nichts geändert.
Bei Streitigkeiten aus der Anwendung der Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) zu Fernabsatzverträgen über Finanzdienstleistungen, dem Verbraucherkreditrecht (§§ 491 bis 509 BGB) oder dem Zahlungsdiensterecht (§§ 675 c bis 676 c BGB), wird gleichzeitig eine öffentlich-rechtliche Streitschlichtungsaufgabe wahrgenommen. Eine Folge der Anerkennung als Verbraucherschlichtungsstelle ist insbesondere, dass die Kundenbeschwerdestelle beim BVR – gemäß § 14 Absatz 1 UKlaG – vorrangig vor den behördlichen Verbraucherschlichtungsstellen für Kreditinstitute, die dem BVR angehören und an dem dort eingerichteten Schlichtungsverfahren teilnehmen, für die Beilegung von Streitigkeiten nach § 14 Absatz 1 Nummer 1 bis 7 UKlaG zuständig ist. Ist eine Streitigkeit zu schlichten, die nicht in den Anwendungsbereich des Katalogs der Streitigkeiten nach § 14 Absatz 1 UKlaG fällt, ist die Kundenbeschwerdestelle des BVR nicht zuständig. Vielmehr übernimmt dies dann die behördliche Auffangschlichtungsstelle, das Zentrum für Schlichtung e.V. In der Praxis kommt dieser Fall allerdings selten8 vor, da der Katalog der Streitigkeiten in § 14 Absatz 1 UKlaG weit gefasst ist.
Somit sind die behördlichen Schlichtungsstellen bei der Deutschen Bundesbank und der BaFin nur subsidiär zuständig für Streitigkeiten im Bereich der bereits genannten gesetzlichen Vorschriften, sofern ein Mitgliedsinstitut des BVR nicht am Ombudsmannverfahren des Verbandes teilnimmt.
Eckpunkte der Neuregelungen
Abschnitt 1 (§§ 2 bis 10 FinSV) betrifft die Auswahl, die Bestellung und die Unparteilichkeit der Streitschlichter sowie die Vertraulichkeit und Kostenfreiheit (für den Verbraucher) des Streitbeilegungsverfahrens. Außerdem werden dort die formellen wie materiellen Voraussetzungen eines Antrags auf Durchführung des Streitbeilegungsverfahrens, die Behandlung des Antrags durch die Geschäftsstelle sowie die gegebenenfalls erforderliche Ablehnung eines Schlichtungsverfahrens sowie die Unterbreitung eines Schlichtungsvorschlags festgehalten.
Abschnitt 2 (§§ 11 bis 19 FinSV) regelt die organisatorischen wie finanziellen Anforderungen an die Geschäftsstelle der Kundenbeschwerdestelle sowie weitere formelle Voraussetzungen, die bei der Anerkennung der Kundenbeschwerdestelle beim BVR als private Verbraucherschlichtungsstelle gegenüber dem Bundesamt für Justiz nachzuweisen sind.
Abschnitt 3 (§§ 20 bis 23 FinSV) legt die Verpflichtung zur Erstellung und Veröffentlichung eines jährlichen Tätigkeitsberichts sowie eines Evaluationsberichts fest, wobei beide Berichte gemäß der Verbraucherstreitbeilegungs-Informationspflichtenverordnung (VSBInfoV) zu erstellen sind. Auch die Muss-Inhalte auf der Webseite der Kundenbeschwerdestelle werden hier aufgezählt.
Schließlich wird in Abschnitt 4 (§§ 24 bis 27 FinSV) die Zusammenarbeit mit anderen Streitbeilegungsstellen sowie das Inkrafttreten der Neuregelungen bestimmt.
Strafanzeige kein Ablehnungsgrund mehr
Galt die Erstattung einer Strafanzeige nach Nummer 3 Absatz 2 Buchstabe c) der bis zum 31. Januar 2017 geltenden Verfahrensordnung unter den dort genannten Voraussetzungen als Schlichtungshindernis, so ist eine Strafanzeige nach der FinSV bei Beschwerden, die nach dem 31. Januar 2017 bei der Kundenbeschwerdestelle eingehen, kein Ablehnungsgrund mehr. Ob nach Erstattung einer Strafanzeige gegen die Bank oder deren Mitarbeiter allerdings noch die Chance einer Einigung im Streitbeilegungsverfahren besteht, darf bezweifelt werden. Im Übrigen gelten die bisherigen Ablehnungsgründe auch unter dem neuen Regelungsregime nahezu unverändert fort (vergleiche § 6 FinSV oder auch § 3 der Verfahrensordnung für die außergerichtliche Schlichtung von Kundenbeschwerden im Bereich der deutschen genossenschaftlichen Bankengruppe).
Neue Informationspflichten
Wesentliche Neuregelungen im VSBG sind die neuen Informationspflichten der Unternehmen und der Verbraucherschlichtungsstellen. Unternehmen haben ab dem 1. Februar 2017 den Verbraucher auf ihrer Webseite und zusammen mit ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu informieren, inwieweit sie bereit sind, am Streitbeilegungsverfahren einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen. Überdies haben sie auf die zuständige Verbraucherschlichtungsstelle hinzuweisen. Diese Informationspflicht gilt unabhängig von einer konkreten Meinungsverschiedenheit (abstrakte Informationspflicht).
Dieselbe Informationspflicht trifft einen Unternehmer beziehungsweise eine Bank, wenn in einem konkreten Einzelfall ein Streit nicht beigelegt werden konnte. In diesem Fall hat der Unternehmer beziehungsweise die Bank den Kunden schriftlich über die zuständige Verbraucherschlichtungsstelle, ihre Anschrift sowie ihre Webseite zu informieren (konkrete Informationspflicht).
Beide Informationspflichten dürften künftig zu einem signifikant steigenden Beschwerdeaufkommen bei der Kundenbeschwerdestelle beim BVR beitragen.
Ergänzend werden Unternehmen – nach Artikel 14 der EU-Verordnung über Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten – dazu verpflichtet, auf ihrer Webseite einen Link zur sogenannten OS-Plattform der EU-Kommission einzustellen und ihre E-Mail-Adresse anzugeben. Die OS-Plattform soll Verbrauchern eine einfache, effiziente, schnelle und kostengünstige außergerichtliche Möglichkeit zur Lösung von Streitigkeiten bieten, die sich aus Online-Rechtsgeschäften ergeben. Hierzu hat die EU-Kommission zum 15. Februar 2016 eine internetgestützte Plattform mit einer Datenbank der anerkannten Streitbeilegungsstellen in der EU eingerichtet. Der Zugang des Verbrauchers zur EU-Plattform erfolgt unter http://ec.europa.eu/consumers/odr. Verbraucher, die einen Online-Dienstleistungsvertrag oder einen Online-Kaufvertrag mit Unternehmen beziehungsweise einem genossenschaftlichen Kreditinstitut abgeschlossen haben, sollen sich über diese Plattform mit ihrer Beschwerde an eine zentrale Anlaufstelle wenden können. Selbstverständlich können sich diese Kunden immer auch direkt an die Kundenbeschwerdestelle beim BVR wenden.
Inhalte der Webseite der Kundenbeschwerdestelle
Die Kundenbeschwerdestelle beim BVR muss gemäß der neuen Regelungen Besucher ihrer Webseite dort klar und verständlich über ihre Erreichbarkeit, ihre Zuständigkeit, die Anerkennung als private Verbraucherschlichtungsstelle, den Ablauf sowie über die Kosten des Verfahrens informieren.
Die außergerichtliche Streitschlichtung wird durch die Neuregelungen gestärkt. Der Zugang des Verbrauchers zum Recht wird in der Breite des Verbraucherrechts erleichtert, ohne dass damit eine Änderung der Rechtskultur einhergeht. Allerdings steigt auch die Regelungsdichte. Dies schränkt die Spielräume bei der Ausgestaltung des Streitbeilegungsverfahrens ein.