Die Kundenbeschwerdestelle beim BVR
Die Kundenbeschwerdestelle beim BVR
Mit Wirkung vom 2. April 2002 wurde das Streitschlichtungsverfahren der deutschen genossenschaftlichen Bankengruppe eingeführt. Seither haben Kunden genossenschaftlicher Banken die Möglichkeit, Streitigkeiten mit ihrer Bank außergerichtlich und ohne Kostenrisiko durch einen unabhängigen Schlichter klären zu lassen. Verbraucher wie Unternehmer sind so in der Lage, ihre Streitigkeiten mit der Bankam Maßstab der geltenden Rechtslage und unter Berücksichtigung von Billigkeitserwägungen mithilfe eines Streitschlichters ohne Einschaltung eines ordentlichen Gerichts schnell einer Lösung zuzuführen.
Rechtliche Grundlagen für die Streitbeilegung
Grundlage des Streitschlichtungsverfahrens ist die „Verfahrensordnung für die außergerichtliche Schlichtung von Kundenbeschwerden im Bereich der deutschen genossenschaftlichen Bankengruppe (VerfO)“1. Nach dieser Verfahrensordnung führt die Kundenbeschwerdestelle beim BVR auf Antrag eines Verbrauchers oder eines Unternehmers ein Verfahren zur außergerichtlichen Beilegung von Streitigkeiten bezüglich aller von der Bank angebotenen Produkte oder Dienstleistungen durch. Die Verfahrensordnung regelt dabei unter anderem die Organisation der Schlichtungsstelle, die aus der Geschäftsstelle beim BVR und den Streitschlichtern besteht, die formellen und inhaltlichen Anforderungen an einen Schlichtungsantrag, mögliche Gründe für die Ablehnung eines Schlichtungsverfahrens sowie die einzelnen Verfahrensschritte bis hin zur Unterbreitung des Schlichtungsvorschlags.
Dabei berücksichtigt das Streitbeilegungsverfahren folgende wichtige Verfahrensgrundsätze:
Fachliche Qualifikation, Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Streitschlichter
Die Streitschlichter müssen die Befähigung zum Richteramt haben. Sie sind unabhängig und an Weisungen nicht gebunden, werden für die Dauer von mindestens drei Jahren als Streitschlichter bestellt und können nicht ohne hinreichenden Grund ihres Amtes enthoben werden.
Fairness
Der Antrag auf Streitbeilegung samt aller dazugehörigen Unterlagen werden der Bank vollständig zugeleitet; die von der Bank erstellte Stellungnahme wird dem Antragsteller zur Verfügung gestellt. Nur für den Streitschlichter bestimmte Unterlagen können demzufolge im Streitbeilegungsverfahren nicht berücksichtigt werden. Deren Berücksichtigung wäre ein Verstoß gegen die Verfahrensordnung, die eine Weiterleitung der Unterlagen an die jeweils andere Partei vorschreibt.
Vertraulichkeit
Die Streitschlichter sowie die Mitarbeiter der Geschäftsstelle sind nach § 10 VerfO zur Verschwiegenheit über alle das Streitbeilegungsverfahren betreffende Tatsachen verpflichtet.
Unentgeltlichkeit
Das Streitbeilegungsverfahren ist für den Antragsteller kostenlos, vergleiche § 9 Absatz 1 VerfO.
Verjährungshemmung
Die Verjährung von Ansprüchen, die Gegenstand des Streitbeilegungsverfahrens sind, wird nach Maßgabe des § 204 Absatz 1 Nummer 4 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gehemmt.
Die Verfahrensordnung, eine an den Kunden gerichtete Kurzinformation zum Verfahren sowie weitere Hinweise für die Einreichung eines Antrags auf Streitbeilegung werden auf der Internetseite des BVR (www.bvr.de/Service/Kundenbeschwerdestelle) zur Verfügung gestellt.
Das Streitschlichtungsverfahren gilt für alle Mitgliedsbanken des BVR, die ihre Teilnahme hieran erklärt haben. Im Berichtszeitraum nahmen 845 Mitgliedsinstitute am Streitbeilegungsverfahren des BVR teil. Auf der Internetseite des BVR kann jeder Antragsteller per Suchfunktion überprüfen, ob ein bestimmtes Mitgliedsinstitut am Streitbeilegungsverfahren des BVR teilnimmt oder nicht.
Europarechtliche Regulierung der Streitbeilegung
Die Richtlinie 2013/11/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2013 über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten verpflichtete die EU-Mitgliedstaaten, bis zum 9. Juli 2015 durch Gesetz dafür Sorge zu tragen, dass Verbrauchern bei bestimmten Streitigkeiten mit Unternehmern außergerichtliche Streitbeilegungsstellen zur Verfügung stehen. Mit etwas Verspätung hat der deutsche Gesetzgeber am 19. Februar 2016 das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten und zur Durchführung der Verordnung über Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten, kurz: Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG), verabschiedet. Am 25. Februar 2016 wurde es im Bundesgesetzblatt (BGBl) verkündet.2 Am 1. April 2016 trat es teilweise in Kraft.
Das Gesetz soll sicherstellen, dass für jegliche vertraglichen Streitigkeiten zwischen einem Verbraucher und einem Unternehmen eine außergerichtliche Streitbeilegung angeboten wird. Der ordentliche Rechtsweg wird dadurch nicht beschränkt. Vielmehr ergänzen sich die Möglichkeiten zur außergerichtlichen Schlichtung sowie der gerichtlichen Klärung von Streitigkeiten. Lediglich die Anhängigkeit der Streitigkeit bei Gericht oder ein in der Sache ergangenes Sachurteil eines Gerichts führt zwingend zur Ablehnung der Durchführung eines Streitbeilegungsverfahrens.
Die Vorteile der außergerichtlichen Streitschlichtung liegen dabei auf der Hand: Der Kunde kann eine Streitigkeit weniger förmlich, unentgeltlich und schneller als vor den ordentlichen Gerichten aufklären lassen. Der Unternehmer kann auf freiwilliger Basis die Kundenzufriedenheit durch ein geeignetes Beschwerdemanagement steigern und zum Erhalt einer durch Streitigkeiten strapazierten Geschäftsbeziehung beitragen.
Herzstück der Neuregelungen ist das in Artikel 1 geregelte Gesetz über die alternative Streitbeilegung in Verbrauchersachen. Das VSBG gilt in seinem sachlichen Anwendungsbereich auch für Verbraucherschlichtungsstellen, die nach anderen gesetzlichen Vorschriften anerkannt, beauftragt oder eingerichtet wurden, sofern diese anderen Rechtsvorschriften keine abweichenden Regelungen treffen, vergleiche § 1 VSBG. So gilt das VSBG zwar grundsätzlich auch für die Kundenbeschwerdestelle beim BVR. Andere Rechtsvorschriften, die vorrangig vor den Regelungen des VSBG gelten, sind gemäß § 14 Absatz 3 Unterlassungsklagengesetz (UKlaG) die Regelungen in der Finanzschlichtungsstellenverordnung (FinSV). Diese wurden als branchenspezifische Spezialregelungen vom Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz erlassen.3 Die FinSV enthält nahezu regelmäßig spezialgesetzliche und damit vorrangig vor dem VSBG anzuwendende Vorschriften etwa zum Verfahren der Streitbeilegung oder zur Organisation und Finanzierung der Schlichtungsstelle bis hin zu formellen wie materiellen Voraussetzungen für die Anerkennung der Kundenbeschwerdestelle beim BVR als private Verbraucherschlichtungsstelle.
Anerkennung als private Verbraucherschlichtungsstelle
Die Kundenbeschwerdestelle beim BVR wurde gemäß § 14 Absatz 3 Satz 1 des UKlaG in Verbindung mit § 11 Absatz 1 der FinSV vom Bundesamt für Justiz mit Bescheid vom 30. Januar 2017 als private Verbraucherschlichtungsstelle anerkannt. Dieses behördliche Gütesiegel bestätigt: Die Organisation, die Finanzierung und nicht zuletzt die Verfahrensordnung der Kundenbeschwerdestelle beim BVR erfüllen die zuvor genannten gesetzlichen Anforderungen des UKlaG sowie der FinSV vollständig. Nach außen hin wird die Anerkennung durch die Aufnahme der Kundenbeschwerdestelle beim BVR in die Liste der anerkannten Verbraucherschlichtungsstellen erkennbar, die auf nationaler Ebene vom Bundesamt für Justiz geführt4 wird.
Im Finanzbereich wird die außergerichtliche Streitschlichtung vorrangig durch private Verbraucherschlichtungsstellen und subsidiär durch die behördlichen Schlichtungsstellen bei der Deutschen Bundesbank sowie der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) wahrgenommen. An dieser Struktur hat sich, abgesehen von einer Veränderung der sachlichen Zuständigkeiten der behördlichen Schlichtungsstellen, durch die oben genannte Gesetzgebung nichts geändert.
Bei Streitigkeiten aus der Anwendung der Vorschriften des BGB zu Fernabsatzverträgen über Finanzdienstleistungen, dem Verbraucherkreditrecht (§§ 491 bis 509 BGB) oder dem Zahlungsdiensterecht (§§ 675 c bis 676 c BGB) wird gleichzeitig eine öffentlich-rechtliche Streitschlichtungsaufgabe wahrgenommen. Eine Folge der Anerkennung als Verbraucherschlichtungsstelle ist, dass die Kundenbeschwerdestelle beim BVR – gemäß § 14 Absatz 1 UKlaG – vorrangig vor den behördlichen Verbraucherschlichtungsstellen für Kreditinstitute, die dem BVR angehören und an dem dort eingerichteten Schlichtungsverfahren teilnehmen, für die Beilegung von Streitigkeiten nach § 14 Absatz 1 Nummer 1 bis 7 UKlaG zuständig ist. Ist eine Streitigkeit zu schlichten, die nicht in den Anwendungsbereich des Katalogs der Streitigkeiten nach § 14 Absatz 1 UKlaG fällt, und ist die Kundenbeschwerdestelle des BVR nicht zuständig, so ist gegebenenfalls die behördliche Auffangschlichtungsstelle, das Zentrum für Schlichtung e. V., für diese Schlichtungsaufgabe zuständig. In der Praxis kommt dieser Fall allerdings selten vor, da der Katalog der Streitigkeiten in § 14 Absatz 1 UKlaG weit gefasst ist.
Somit sind die behördlichen Schlichtungsstellen bei der Deutschen Bundesbank und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht nur subsidiär zuständig für Streitigkeiten im Bereich der bereits genannten gesetzlichen Vorschriften, sofern ein Mitgliedsinstitut des BVR nicht am Streitbeilegungsverfahren des Verbandes teilnimmt.
Eckpunkte der Neuregelungen der FinSV
Abschnitt 1 (§§ 2 bis 10 FinSV) betrifft die Auswahl, die Bestellung und die Unparteilichkeit der Streitschlichter sowie die Vertraulichkeit und Kostenfreiheit (für den Verbraucher) des Streitbeilegungsverfahrens. Außerdem werden dort die formellen wie materiellen Voraussetzungen eines Antrags auf Durchführung des Streitbeilegungsverfahrens, die Behandlung des Antrags durch die Geschäftsstelle sowie die gegebenenfalls erforderliche Ablehnung der Durchführung eines Schlichtungsverfahrens sowie die Unterbreitung eines Schlichtungsvorschlags festgehalten.
Abschnitt 2 (§§ 11 bis 19 FinSV) regelt die organisatorischen wie finanziellen Anforderungen an die Geschäftsstelle der Kundenbeschwerdestelle sowie weitere formelle Voraussetzungen, die bei der Anerkennung der Kundenbeschwerdestelle beim BVR als private Verbraucherschlichtungsstelle gegenüber dem Bundesamt für Justiz nachzuweisen sind.
Abschnitt 3 (§§ 20 bis 23 FinSV) legt die Verpflichtung zur Erstellung und Veröffentlichung eines jährlichen Tätigkeitsberichts sowie eines Evaluati onsberichts fest, wobei beide Berichte gemäß der Verbraucherstreitbeilegungs-Informationspflichtenverordnung zu erstellen sind. Auch die Muss-Inhalte auf der Webseite der Kundenbeschwerdestelle werden hier aufgezählt.
Schließlich wird in Abschnitt 4 (§§ 24 bis 27 FinSV) die Zusammenarbeit mit anderen Streitbeilegungsstellen sowie das Inkrafttreten der Neuregelungen geregelt.